Arbeitsplatzgestaltung während Covid-19

Nachdem wir uns auf ein Leben und Arbeiten mit einer immer noch andauernden Pandemie eingestellt haben, stellt sich die Frage nach dem Vermächtnis. Wird Covid-19 ein signifikantes, dauerhaftes Vermächtnis für die Gestaltung unserer Arbeitsumgebung hinterlassen oder wird es nur darum gehen, bei Bedarf erneut temporäre Maßnahmen zu ergreifen?

Ian Mitchell von Oktra

Textkörper Ian Mitchell ist Design Director bei Oktra, einem führenden Einrichtungsunternehmen in Großbritannien, das sich auf die Inneneinrichtung von Arbeitsplätzen und Büros spezialisiert hat. Über Teams haben wir uns mit Ian in seinem Londoner Büro zusammengesetzt und wollten herausfinden, wie sich Covid-19 auf die Gestaltung von Arbeitsplätzen ausgewirkt hat und was er über das Vermächtnis der Pandemie denkt.

 

 

 

Hier bei Oktra entwerfen und bauen wir Büroeinrichtungen – daher sind wir in die Gesamterfahrung und den Lebenszyklus eines Einrichtungsprojekts für Kunden eingebunden. Und das bedeutet, dass man wirklich in die aktuellen Erfahrungen des Kunden mit der Pandemie eintaucht und sieht, wie sie sich auf seinen Arbeitsplatz auswirkt, anstatt sich nur mit dem vordergründigen Design zu beschäftigen oder einfach nur ein Büro zu bauen. Dadurch, dass wir uns um beide Elemente kümmern, fühlt man sich wirklich dafür verantwortlich, den Kunden zu begleiten und zu verstehen, wie er das durchstehen kann. Fast jedes Projekt ist von Covid-19 betroffen, und zwar auf allen möglichen Ebenen.

Haben Kunden sich bei Ihnen zur Anpassung von Räumen für Covid-19-Maßnahmen beraten lassen?

Definitiv. Diese Frage war im April, Mai, Juni sehr beliebt, als sich die Ereignisse so richtig überschlugen und die Weiterentwicklung der Pandemie praktisch ein großes Fragezeichen war. Damals dachten die Unternehmen : „Wie kommen wir jetzt zur Arbeit? Wie machen wir unsere Büros sicher? Wie sieht das aus? Können Sie mir helfen?“

Sie baten uns als Unternehmen um Antworten, die wir auf der Grundlage von Regierungsrichtlinien formulierten. Wir erstellten sogenannte Covid-Pläne mit geänderten Grundrissen, damit die Zwei-Meter-Abstände berücksichtigt werden konnten, d. h. grob gesprochen zeichneten wir Kreise um die Schreibtische oder Arbeitsbereiche, um festzulegen, wo die Menschen sitzen konnten, gaben Hinweise für eine Richtungsbeschilderung und fügten Hygienestationen hinzu. Die Kunden waren überrascht, wie wenige Mitarbeiter sie tatsächlich unterbringen konnten. Und das hat sich bis heute fortgesetzt, bis zu dem Punkt, an dem viele von uns natürlich nur noch zu Hause sind.

Das wirft die Frage nach der langfristigen Nutzbarkeit von Flächen auf. Kommen Kunden auf Sie zu, die sich Sorgen über die Anpassung der Räume machen?

Ich denke, das ist eine zwiespältige Angelegenheit, die zwei Seiten hat. Zum einen denken Kunden vielleicht: „Richtig. Jeder wird jetzt von zu Hause aus arbeiten wollen, wozu brauche ich den ganzen Platz? Ich kann mich von der Hälfte trennen. Ich kann eine Etage untervermieten“, aber das könnte zu kurz gedacht sein. Mit Abstandhalten braucht man die Fläche eigentlich, damit sich die Mitarbeitenden besser verteilen können und mehr Personen sicher untergebracht werden können.  Falls solche Dinge häufiger vorkommen, könnten Sie durch die bloße Halbierung Ihres Immobilienportfolios auf längere Sicht weiteren Schaden anrichten. Man braucht die Fläche, um sich besser verteilen zu können, und ich denke, dass Kunden oder Mieter vielleicht vorsichtig sein sollten, wenn es darum geht, vorschnell Flächen loszuwerden.

Machen sich die Kunden dann Gedanken, wie sie ihre Räume – abgesehen von aufgeklebten Vinyl-Grafiken und Plexiglaswänden – langfristig anpassen und grundsätzlicher an ihre Räumlichkeiten herangehen können?

Das tun sie und wir begleiten sie dabei. Das könnten Möbel sein, die für ein gemeinschaftliches Arbeiten gedacht sind, wo man Dinge in Ecken positionieren kann. Vielleicht ist es eine Kabine für vier Mitarbeitende, die zur Vermeidung von Ansteckungsgefahr nur von einer Person benutzt wird. Wenn wir eine Raumplanung für Schreibtische machen, dann wird sie nicht unbedingt mit Schreibtischen vollgestopft. Wo sonst 100 Schreibtische Platz finden, sind es jetzt vielleicht 40 Schreibtische auf derselben Fläche. Grund dafür ist, dass man ein Büro so flexibel gestaltet, dass 100 Personen an 20 festen Schreibtischen und in 15 flexiblen Bereichen untergebracht werden können – das kann eine Sitzkabine mit erhöhten Wänden oder ein Holztisch mit einigen Esszimmerstühlen drum herum in einem coolen Bereich sein. Wir können mit vielen verschiedenen Dinge verhindern, dass Menschen jeden Tag der Woche nebeneinander sitzen müssen. Sie können sich bewegen und physikalisch flexibler sein.

Lesen Sie den Oktra-Leitfaden zum Umgang mit Veränderungen

 

Das ist schon eine merkwürdige Dynamik am Arbeitsplatz, der im Wesentlichen auf Interaktion und das Zusammenkommen und Zusammenarbeiten von Menschen ausgerichtet ist. Jetzt sollen sie sich wegen Covid-19 voneinander fernhalten und nicht zusammenarbeiten. Verändert das unsere Einstellung zu dem, was wir als ein gutes Arbeitsumfeld ansehen?

Das ist ein interessantes Konzept – eigentlich widersprüchliche Verhaltensweisen, oder? Klar, einerseits will man zur Arbeit kommen, alleine sitzen, sicher sein. Aber genauso kommen Sie ins Büro, weil Sie aus welchem Grund auch immer mit anderen Menschen interagieren müssen, zum Beispiel bei einem Stand-up-Meeting, wie auch immer das aussehen mag. Und diese Verhaltensweisen werden nicht verschwinden. Tatsächlich zeigt sich, dass die Bürogestaltungstrends, die wir ohnehin übernehmen, jetzt eine noch größere Bedeutung haben. Damit meine ich flexible Räume.

Wer also etwas arbeiten möchte, sollte nicht davon ausgehen, nur am Schreibtisch neben einer anderen Person zu sitzen. Abstand halten zu können ist dabei entscheidend. Wird sich das auf die Art der Zusammenarbeit auswirken? Das glaube ich nicht. Denn wir sitzen alle im selben Boot – dieses Verhalten ist nicht abteilungs- oder branchenspezifisch. Ich denke, das ist tatsächlich in allen Bereichen so und wir alle haben das verstanden. Das hat uns allen auch geholfen, diese Veränderung zu verdauen.

Wir haben innerhalb von sechs Monaten eine enorme Verschiebung im Kaufverhalten der Verbraucher während der Pandemie erlebt. Glauben Sie, dass diese Beschleunigung auch für das Bürodesign gilt?

Ja klar. Es mag ein sehr schlechter Vergleich sein, aber die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 hat etwa sechs Monate gedauert. Ein solches Medikament braucht normalerweise zehn Jahre, aber wir haben es geschafft, weil es absolut um Leben und Tod ging. Es war entscheidend – überlebenswichtig – deshalb haben wir es geschafft. Und wenn man diese Logik auf das Bürodesign überträgt, mussten wir uns ebenfalls schnell anpassen, um den Kunden das zu geben, was sie brauchten.

Natürlich hatte man das Gefühl, den Arbeitsplatz anpassen zu müssen, um die Geschäfte, die Industrie am Laufen zu halten. Wie können wir Büros sicher und dennoch benutzerfreundlich gestalten? Es ist also kein Wunder, dass wir uns darauf gestürzt haben, um es zu schaffen, damit es funktioniert – und so soll es auch bleiben.  Das würde ich definitiv so sagen.

Wie wichtig wird die Materialauswahl sein? Glauben Sie, dass wir eine neue Welle von antibakteriellen Beschichtungen erleben werden, oder geht es wirklich nur darum, die Desinfektion zu vereinfachen?

Das ist ein weiterer Trend, der sich wohl in absehbarer Zeit nicht abschwächen wird. Ich glaube, das ist auch etwas, was wir sehr oft machen. Wenn Kunden nicht danach fragen, empfehlen wir es ihnen – Maßnahmen, wie zum Beispiel mobile Sanitärstationen, Handwaschplätze, Desinfektion und Verfügbarkeit von PSA. All diese allgemeinen Hygienemaßnahmen, die wir einerseits vorsehen, und andererseits Materialien und Oberflächen – es ist sehr, sehr wichtig, dass wir diese Option für Kunden haben, wenn sie gewünscht werden. Eine Sache, die wir in letzter Zeit getan haben, ist der Einsatz von berührungsempfindlichen Armaturen, und einige Kunden haben uns gebeten, ihre vorhandenen normalen Armaturen auszutauschen, damit die Mitarbeiter die Oberflächen nicht mehr berühren müssen. Gleichzeitig haben offenbar viele Unternehmen Sicherheitsausweise für die Zugangskontrolle an Türen, die mit automatischen Öffnern ausgestattet werden können. Also rüsten wir diese Art von Dingen nach, die zusätzlich zu den üblichen Kosten für ein Einrichtungsprojekt anfallen.

Glauben Sie, dass Covid-19 den Kunden etwas über Bürodesign und einen menschenzentrierten Ansatz beigebracht hat, oder geht es immer noch nur um die Anzahl der Mitarbeiter, und dass es für sie jetzt mehr Einschränkungen gibt?

Es hat definitiv allen Unternehmen bewusst gemacht, welchen Platz das Büro in der Gesellschaft einnimmt. Und es bedeutet, dass man das Büro anpassen muss, damit es mehr ist als nur ein Platz für einen Schreibtisch und einen Computer. Tatsächlich sollte es ein sicherer Ort abseits vom eigenen Zuhause sein, an dem man gemeinsam mit anderen Menschen Aufgaben erledigen muss.

Es ist auch ein Ort für soziale Kontakte, was natürlich schwierig ist, wenn man Abstand halten soll. Aber Covid-19 hat auch gezeigt, dass es Mitarbeiter gibt, denen es schwerfällt, von zu Hause aus zu arbeiten. Sie haben zu Hause keinen Platz zum Arbeiten, nirgends können sie sich konzentrieren. All diese kleinen Faktoren treten zutage, wenn Sie mit Ihren Kollegen sprechen – womit die Frage, wofür Sie ein Büro brauchen, eigentlich schon beantwortet ist.

Uns geht es hier genauso. Viele der jungen Leute sagen, dass sie vielleicht in einer WG leben, möglicherweise mit Leuten, die sie nicht so gut kennen. Eigentlich möchten sie gerne ins Büro kommen. Sie wollen hier Zeit verbringen, mehr als nur herkommen und den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. Dadurch fühlen sie sich wertgeschätzt, sie lernen mehr, was die Ausbildung betrifft, und von anderen durch gemeinsame Erfahrungen oder Mentoring.

Wie soll ein junger Mitarbeiter im Leben weiterkommen und von anderen Menschen lernen, wenn er am Esszimmertisch seiner Eltern sitzt? Ich denke, wir müssen in der Lage sein, diese Art der Zusammenarbeit zu fördern, ohne dabei natürlich die Mitarbeiter zu zwingen, dies zu tun.

Es gibt einige Personen in der Führungsetage, die hinter dem Thema Homeoffice stehen. Sie haben eine komfortable Umgebung für Heimarbeit und vielleicht ein separates Büro, aber ein großer Teil der arbeitenden Bevölkerung hat diesen Luxus nicht?

Vollkommen richtig. Dieses Beispiel ist eine perfekte Erklärung dafür, warum man bedenken muss, dass es für uns vielleicht in Ordnung ist, zu Hause in unserem Arbeitszimmer oder sonst wo zu arbeiten, aber für die meisten Menschen ist das nicht so. Deshalb müssen wir auf diese Stimmen hören und sie fragen: „Was braucht ihr? Was wünscht ihr euch? Was würde euch bei eurer Arbeit ein gutes Gefühl geben?“

Denn diese Mitarbeiter werden eines Tages unsere Führungskräfte sein und wir wollen uns um sie kümmern. Wir müssen sicherstellen, dass wir sie bei Laune halten, damit sie sich weiterentwickeln und ihre Arbeit gut machen können – und damit sie nicht einfach zu Hause sitzen und krank oder unglücklich werden und unter psychischen Problemen leiden. Diese Dinge müssen wir im Auge behalten. Ich denke, dass Oktra dafür ein guter Ansprechpartner ist, denn wir haben hier ein schönes Büro. Unsere Mitarbeiter kommen gerne hierher, sie wollen Zeit hier verbringen, die Tür ist sozusagen immer offen.

Was ist das Wichtigste, was Sie durch die Pandemie über die Gestaltung von Arbeitsplätzen gelernt haben?

Es beruhigt mich, dass das Büro nicht nur ein Ort zum Arbeiten ist, sondern auch ein Ort für viele verschiedene Verhaltensmuster und Aktivitäten. Für eine wohnliche Umgebung müssen so viele weitere Elemente wie Oberflächen, Wand- und Bodenbeläge vorhanden sein, damit man sich wohlfühlt, wenn man dort seine Zeit verbringt, um eine Arbeit zu erledigen, die getan werden muss. Und ich finde, dass dieses Konzept meine Arbeit einfacher macht, weil es einen entspannt. Man entwirft einen Raum, der nicht immer geschäftsmäßig und seriös wirkt, und tadaah – das ist eine tolle Sache. Es ist tatsächlich ein viel freundlicherer Raum. Mehr als früher ist das Büro heute ein freundlicheres Gesamtpaket. Und Covid-19 hat mir bestätigt, dass das Büro viel mehr zu bieten hat, als uns vielleicht bewusst ist – jedenfalls in der Bedeutung, die es für die Mitarbeiter hat.

Mein Job hat sich im letzten Jahr ziemlich stark verändert. Es hat mir und uns allen die Augen geöffnet, dass wir die Dinge anders angehen könnten. Wir bei Oktra wollen Pionierarbeit leisten, wenn es um die Reaktion auf Covid-19 am Arbeitsplatz geht und wie dieser sich verändern wird, wenn die Pandemie hoffentlich abklingt.

Vielen Dank an Ian Mitchell, Design Director, Oktra 

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